In Anlehnung an die Tätigkeit des im Jahre 1667 so benannten "Artillerie-Collegiums" von Bern gründete Heinrich Werdmüller mit Hans Heinrich Holzhalb im Jahr 1686 das zürcherische Artillerie-Kollegium.
Die Ausbildung der Kandidaten für das Artillerie-Kollegium umfasste von Anbeginn an auch Schiessübungen mit verschiedenen Geschützen. Für diese Schiessen wurden im Jahr 1749 die drei (hängenden) Bronzemörser Jgel, Jltis und Marter (Pos. 3-5 der nachstehenden Tabelle) verwendet. Diese Mörser gehörten in den Artilleriebestand des Kantons und standen dem Artillerie-Kollegium nur zur Verfügung.
Eine frühe Darstellung des Schiessens mit drei Mörsern auf dem Neujahrsblatt 1784.
Beim Artillerie-Kollegium kamen Mörser des gezeigten hängenden Typs zur Anwendung,
womit es sich um die Mörser Pos. 3-5 der nachstehenden Tabelle gehandelt haben dürfte.
Für die im Jubiläumsjahr des Kollegiums 1786 stattfindenden Kollegiantenschiessen standen
neben diversen Kanonen und Haubitzen auch zwei fünfzigpfündige Mörser im Einsatz.
Dabei könnte es sich vom Kaliber her betrachtet um die Mörser Mars und Bellona (Pos. 1 und 2 der
nachstehenden Tabelle) gehandelt haben. Die Schiessübungen der Kollegianten verlagerten sich
jedoch bald mit wenigen Ausnahmen auf das Schiessen mit Mörsern.
Aus den Zürcher Zeughausinventaren der Jahre 1807 und 1822 ergibt sich für die bei Kollegiantenschiessen
infrage kommenden Mörser folgendes Bild:
Mörser Bräm, Inventar SNM, Leihgabe KZ 5446
Von diesen Mörsern ist einzig der Bräm (Pos. 6) im Bestand des Schweizerischen Nationalmuseums
als Leihgabe des Kantons Zürich erhalten.
Nach einem längeren Unterbruch in der Kollegiumstätigkeit wurde 1806 erstmals wieder ein Kollegiantenschiessen mit drei Mörsern im Hard durchgeführt. Seit dem Jahr 1811 finden die jährlichen Mörserschiessen des Artillerie-Kollegiums auf der Wollishofer Allmend statt. Mitte der 1850er-Jahre wurden die im Zeughaus verfügbaren Mörser und ihre Lafetten als nicht mehr brauchbar taxiert, was an der Commissionssitzung vom 29. Mai 1855 zum Beschluss zur Beschaffung von neuen Mörsern aus Stahl führte. Die Bestellung an die Firma Friedrich Krupp, Essen, erfolgte am 9. Januar 1856. Der Kaufpreis für beide als 24-Pfünder bezeichneten Mörser betrug damals 1000 preussische Taler. Die Herstellungskosten der beiden vollständigen, lafettierten Mörser betrugen ca. Fr. 4500. Im Vergleich zu den vorher und nachher beschafften 50-Pfund-Mörsern der Eidgenossenschaft wurde deren grundsätzliche Lafettenkonstruktion französischen Ursprungs übernommen, jedoch die Schildzapfen etwas nach hinten, mehr in den Bereich der konischen Pulverkammer verlegt. Ausserdem ist zu vermuten, dass die seitlich über die Lafettenwand vorstehenden Bolzen für die Richtungsgebung des Mörsers als Achsen für Räder "umgedeutet" wurden. Mörser der zugrunde liegenden französischen Ordonnanz waren nach aktuellem Kenntnisstand nie mit Rädern ausgestattet. Die Unterlagen bezüglich dieser Beschaffung waren weder in den Archiven der Firma Krupp noch beim Artillerie-Kollegium aufzufinden. Dies war die erste Beschaffung von Geschützen, welche dem Artillerie-Kollegium gehörten.
Gussstahlmörser JLTISS, geliefert 1856 von Friedrich Krupp, Essen,
auf Wandlafette mit angebrachten Rädern
Das Bombengewicht von 12 kg ergab die sonst historisch unübliche Kaliberbezeichnung
"24-Pfünder".
Als Grund für die Verlegung der Schildzapfen gibt Walter Stutz in seiner Publikation "Ueber ballistische Versuche
mit den Mörsern des Zürcherischen Artillerie-Kollegiums" an: "[...] die Tragzapfen waren aber unter statt
über der Seelenachse angebracht, da das Zündloch auf der falschen Seite gebohrt wurde."
In der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift von 1855 ist im Artikel "Die Krupp'schen
Gussstahl-Geschütze" auf Seite 152 erwähnt: "Von Oesterreich, Bayern, Hannover, Spanien, der Schweiz, Frankreich
und England sind bereits Aufträge an die Krupp'sche Fabrik zur Lieferung von Geschützröhren ergangen, und wir
befürchten nicht im mindesten, dass die Erfahrung das Urteil widerlegen wird, welches die Allg. Ztg. seit vier Jahren
über die Krupp'sche Stahlproduktion ausgesprochen hat [...]."
Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich beim erwähnten Auftrag aus der Schweiz um denjenigen des Artillerie-Kollegiums
handelte, da belegbare Aufträge der Eidgenossenschaft an die Firma Krupp erst gegen 1860 erfolgten.
Interessant ist neben den in den Gesellschaftsprotokollen des Artillerie-Kollegiums erwähnten Angaben über die Schussprobe vom 29. September 1857 mit vier Würfen mit maximaler Pulverladung von 550 Gramm und dem nachfolgenden Einschiessen mit 125 Gramm, dass am 10. Juli 1858 "Schiessversuche mit Gussstahlmörsern in Rümlang" stattfanden, "angestellt von der zürcherischen Artillerie-Offiziersgesellschaft unter Zuzug der Cadre's der Auszüger-Positions-Kompagnie Nr. 32".
Bei den erwähnten Schiessversuchen wurden mit den neuen Stahlmörsern JLTISS und MARDER mit konischer Kammer je 12 Bomben im Gewicht von 21½ Pfund mit verschiedenen Ladungen (200 bis 550 Gramm) und den Elevationen 45° und 30° geworfen. Zum Vergleich wurden mit dem Bronzemörser Katz(e) mit zylindrischer Pulverkammer (Pos. 10 der obigen Liste) ebenfalls 12 Bomben mit Ladungen von 250 bis 550 Gramm und den Elevationen 45° und 30° geworfen.
Die nächsten Bilder zeigen die beiden am 9. Januar 1856 bei der Firma Krupp in Essen bestellten
Gussstahlmörser JLTISS und MARDER.
Anstelle der sonst zu diesem Zeitpunkt üblichen Angabe von Hersteller und Herstellungsjahr auf den Schildzapfen wurde
diese stirnseitig auf der Rohrmündung angebracht. Die ursprünglich für den Einsatz mit Schüttpulver vorgesehene Muschel
um den Zündkanal (Zündpfanne) ist ebenfalls an beiden Mörsern vorhanden.
JLTISS >> Rohr, Rohrmündung und Zündpfanne
Die "Aus den angestellten Versuchen gewonnenen Resultate" sind so bemerkenswert, dass sie hier zitiert werden:
Bewertet man die zitierten Ergebnisse, muss festgestellt werden, dass die Folgerungen bezüglich der zylindrischen und der konischen Pulverkammer und ihrem Zusammenhang mit Schussdistanz und Seitenstreuung auf einer Fehlinterpretation beruhen. Grund für den Uebergang zu der konischen Kammer "à la Gomer" in Frankreich nach 1785 und dann auch in der Schweiz waren die wesentlich vereinfachte Handhabung des Ladevorganges und die deutlich verbesserten Streuungswerte, nachgewiesen mit zahlreichen umfassenden Schiessversuchen.
Beim Punkt 6 der Ergebnisse kommt man zum erstaunlichen Schluss, dass der Ernstfall- bzw. Kriegseinsatz dieser Mörser des Artillerie-Kollegiums in Betracht gezogen wurde, was wahrscheinlich auch das Engagement der Zürcherischen Artillerie Offiziersgesellschaft und den Zuzug der "Cadre's der Auszüger Positions Kompagnie Nr. 32" erklärt.
Die beiden 1857 gelieferten Lafetten mit der rechtsseitigen Aufschrift "ARTILLERIE = COLLEGIUM ZURICH. 1857." wurden von der
Firma Escher, Wyss u. Comp. in Zürich gefertigt, das Gewicht der vollständigen Lafette betrug ca. 200 kg.
MARDER und JLTISS >> Rechte Lafettenwand
MARDER >> Rohr und Rohrmündung
Im Jahr 1950 führte der Kollegiant Oberst Walter Stutz in Thun ballistische Versuche mit den beiden Mörsern MARDER (Fertigung 1856) und LUCHS (Fertigung 1936) durch. Mit diesen Schiessversuchen und begleitenden Berechnungen ermittelte Walter Stutz deren exakte ballistische Daten und Streuungswerte.
Mit dem ursprünglichen Bombengewicht von 12kg wurde beim Mörser MARDER eine mittlere V₀ von 39,05m/s ermittelt, beim Mörser LUCHS betrug diese 44,01m/s. Stutz erklärt die unterschiedliche V₀ mit der Durchmesserdifferenz von 1mm und damit dem Druckverlust zwischen den beiden verwendeten Mörsern. In Ergänzung zu den Ueberlegungen der beiden Autoren Michael Amrein und Christian Burkhalter im Neujahrsblatt 2011 kann die Lektüre dieser bei der Bibliothek am Guisanplatz in Bern erhältlichen Publikation empfohlen werden.
Die Beschriftung der Lafette wurde für die nachfolgend beschafften Mörser wie folgt geändert:
LUCHS, rechte Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZURICH 1936"
DACHS, linke Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZüRICH 1975"
WIESEL, linke Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZüRICH 1990",
rechte Lafettenwand: "GEORG FISCHER +GF+"
Der Mörser FUCHS ist baugleich mit dem Mörser WIESEL und steht im Besitz der Zunft zu den Drei Königen.
Mit der Beschaffung des zusätzlichen Mörsers LUCHS im Jahr 1936 wurde das Heck des Rohres von der bisherigen konischen auf eine kugelige Form geändert. Gleichzeitig verzichtete man auf die beim Einsatz von Stoppinen für die Anfeuerung nicht mehr notwendige Zündpfanne. Da die Zeichnungen für die Herstellung des Mörsers LUCHS bei Escher Wyss vom Jahr 1936 nicht mehr verfügbar waren, erstellte die 1974 mit dem Guss und der Bearbeitung des Mörsers DACHS beauftragte Firma Sulzer, Winterthur, aufgrund der Vermessung des Mörsers LUCHS eine neue Zeichnung. Diese diente dann auch der Firma Georg Fischer, Schaffhausen, für die Herstellung der beiden Mörser WIESEL und FUCHS im Jahr 1990.
Rohr des Mörsers DACHS
Zeichnung Nr. 0-071.150.782 (Ausschnitt)
der Firma Sulzer vom 3. Dezember 1974
Zeichnung der Mörserbombe
Quadrant mit Pendel und Durchblickdiopter zur Kontrolle der Senkung und der Schussrichtung
Bombenheber
Die Mörserbomben sind hohl gegossen. Die zum Einspannen bei der Bearbeitung notwendigen seitlichen Bohrungen wurden anschliessend mit einem Gewindestopfen verschlossen, verschweisst und überdreht. Die oben sichtbaren kleinen Bohrungen dienen zum Fassen der Bombe mit dem Bombenheber.
Die Bomben aus früheren Beschaffungen hatten Gewichte in den Gewichtsklassen von 9,6kg, 10,15kg und 12kg. In mehreren Nachbeschaffungen wurde der Bestand des Artillerie-Kollegiums an Bomben ergänzt und schliesslich aus Sicherheitsgründen im Jahr 2011 vollständig durch eine Neubeschaffung ersetzt. Das Gewicht dieser neuen Bomben beträgt 10,1kg bei einem Durchmesser von 162,8mm bis 163,0mm.
Die Wurfweite der Bombe bei einer Schwarzpulverladung von 63g und einem Senkungswinkel von ca. 30° beträgt ca. 120m. Die unterschiedlichen innenballistischen Gegebenheiten und damit die Wurfweiten der älteren gegenüber den neueren Mörsern könnten allenfalls bei Bedarf mit einer Korrektur der Ladung ausgeglichen werden.
Mörser DACHS in Stellung
Mörser MARDER (Fertigung 1856) beim Wurf
...der Abbrand der Pulverladung hat erst begonnen,
die Bombe
hat das Rohr noch nicht verlassen.
...die fliegende Bombe ist am oberen Bildrand sichtbar. Das beachtliche Mündungsfeuer und der
Feueraustritt aus dem Zündkanal können mit den abweichenden Massen der ältesten gegenüber den neueren
Mörsergenerationen erklärt werden.
QUELLEN UND VERWEISE:
Neujahrsblatt 2011, Michael Amrein und Christian Burkhalter
Neujahrsblatt auf das Jahr 2011, Henri Habegger
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung, Ausgabe 24 (1858)
Aufsatz "Ueber ballistische Versuche mit Mörsern des Zürcherischen Artillerie-Kollegiums", Walter Stutz (1951)