Wappen und historischer Schriftzug Artillerie-Kollegium
Geschichte des Kollegiums


Ein Ueberblick über die Geschichte der Mörser

Auszug aus dem Neujahrsblatt 2017, von Henri Habegger

In Anlehnung an die Tätigkeit des im Jahre 1667 so benannten "Artillerie-Collegiums" von Bern gründete Heinrich Werdmüller mit Hans Heinrich Holzhalb im Jahr 1686 das zürcherische Artillerie-Kollegium.

Die Ausbildung der Kandidaten für das Artillerie-Kollegium umfasste von Anbeginn an auch Schiessübungen mit verschiedenen Geschützen. Für diese Schiessen wurden im Jahr 1749 die drei (hängenden) Bronzemörser Jgel, Jltis und Marter (Pos. 3-5 der nachstehenden Tabelle) verwendet. Diese Mörser gehörten in den Artilleriebestand des Kantons und standen dem Artillerie-Kollegium nur zur Verfügung.

Stich vom Schiessen von 1749 Eine frühe Darstellung des Schiessens mit drei Mörsern auf dem Neujahrsblatt 1784. Beim Artillerie-Kollegium kamen Mörser des gezeigten hängenden Typs zur Anwendung, womit es sich um die Mörser Pos. 3-5 der nachstehenden Tabelle gehandelt haben dürfte.

Für die im Jubiläumsjahr des Kollegiums 1786 stattfindenden Kollegiantenschiessen standen neben diversen Kanonen und Haubitzen auch zwei fünfzigpfündige Mörser im Einsatz. Dabei könnte es sich vom Kaliber her betrachtet um die Mörser Mars und Bellona (Pos. 1 und 2 der nachstehenden Tabelle) gehandelt haben. Die Schiessübungen der Kollegianten verlagerten sich jedoch bald mit wenigen Ausnahmen auf das Schiessen mit Mörsern.
Aus den Zürcher Zeughausinventaren der Jahre 1807 und 1822 ergibt sich für die bei Kollegiantenschiessen infrage kommenden Mörser folgendes Bild:

Tabelle der verschiedenen Mörser


Mörser Bräm, Inventar SNM
Mörser Bräm, Inventar SNM, Leihgabe KZ 5446

Mörser Bräm, Inventar SNM Von diesen Mörsern ist einzig der Bräm (Pos. 6) im Bestand des Schweizerischen Nationalmuseums als Leihgabe des Kantons Zürich erhalten.



Nach einem längeren Unterbruch in der Kollegiumstätigkeit wurde 1806 erstmals wieder ein Kollegiantenschiessen mit drei Mörsern im Hard durchgeführt. Seit dem Jahr 1811 finden die jährlichen Mörserschiessen des Artillerie-Kollegiums auf der Wollishofer Allmend statt. Mitte der 1850er-Jahre wurden die im Zeughaus verfügbaren Mörser und ihre Lafetten als nicht mehr brauchbar taxiert, was an der Commissionssitzung vom 29. Mai 1855 zum Beschluss zur Beschaffung von neuen Mörsern aus Stahl führte. Die Bestellung an die Firma Friedrich Krupp, Essen, erfolgte am 9. Januar 1856. Der Kaufpreis für beide als 24-Pfünder bezeichneten Mörser betrug damals 1000 preussische Taler. Die Herstellungskosten der beiden vollständigen, lafettierten Mörser betrugen ca. Fr. 4500. Im Vergleich zu den vorher und nachher beschafften 50-Pfund-Mörsern der Eidgenossenschaft wurde deren grundsätzliche Lafettenkonstruktion französischen Ursprungs übernommen, jedoch die Schildzapfen etwas nach hinten, mehr in den Bereich der konischen Pulverkammer verlegt. Ausserdem ist zu vermuten, dass die seitlich über die Lafettenwand vorstehenden Bolzen für die Richtungsgebung des Mörsers als Achsen für Räder "umgedeutet" wurden. Mörser der zugrunde liegenden französischen Ordonnanz waren nach aktuellem Kenntnisstand nie mit Rädern ausgestattet. Die Unterlagen bezüglich dieser Beschaffung waren weder in den Archiven der Firma Krupp noch beim Artillerie-Kollegium aufzufinden. Dies war die erste Beschaffung von Geschützen, welche dem Artillerie-Kollegium gehörten.

Gussstahlmörser JLTISS, geliefert 1856 von Friedrich Krupp, Essen,
auf Wandlafette mit angebrachten Rädern
Mörser JLTISS von Krupp, 1856

Das Bombengewicht von 12 kg ergab die sonst historisch unübliche Kaliberbezeichnung "24-Pfünder".

Als Grund für die Verlegung der Schildzapfen gibt Walter Stutz in seiner Publikation "Ueber ballistische Versuche mit den Mörsern des Zürcherischen Artillerie-Kollegiums" an: "[...] die Tragzapfen waren aber unter statt über der Seelenachse angebracht, da das Zündloch auf der falschen Seite gebohrt wurde."

In der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift von 1855 ist im Artikel "Die Krupp'schen Gussstahl-Geschütze" auf Seite 152 erwähnt: "Von Oesterreich, Bayern, Hannover, Spanien, der Schweiz, Frankreich und England sind bereits Aufträge an die Krupp'sche Fabrik zur Lieferung von Geschützröhren ergangen, und wir befürchten nicht im mindesten, dass die Erfahrung das Urteil widerlegen wird, welches die Allg. Ztg. seit vier Jahren über die Krupp'sche Stahlproduktion ausgesprochen hat [...]."
Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich beim erwähnten Auftrag aus der Schweiz um denjenigen des Artillerie-Kollegiums handelte, da belegbare Aufträge der Eidgenossenschaft an die Firma Krupp erst gegen 1860 erfolgten.

Interessant ist neben den in den Gesellschaftsprotokollen des Artillerie-Kollegiums erwähnten Angaben über die Schussprobe vom 29. September 1857 mit vier Würfen mit maximaler Pulverladung von 550 Gramm und dem nachfolgenden Einschiessen mit 125 Gramm, dass am 10. Juli 1858 "Schiessversuche mit Gussstahlmörsern in Rümlang" stattfanden, "angestellt von der zürcherischen Artillerie-Offiziersgesellschaft unter Zuzug der Cadre's der Auszüger-Positions-Kompagnie Nr. 32".

Bei den erwähnten Schiessversuchen wurden mit den neuen Stahlmörsern JLTISS und MARDER mit konischer Kammer je 12 Bomben im Gewicht von 21½ Pfund mit verschiedenen Ladungen (200 bis 550 Gramm) und den Elevationen 45° und 30° geworfen. Zum Vergleich wurden mit dem Bronzemörser Katz(e) mit zylindrischer Pulverkammer (Pos. 10 der obigen Liste) ebenfalls 12 Bomben mit Ladungen von 250 bis 550 Gramm und den Elevationen 45° und 30° geworfen.

Rohr vom Mörser JLTISS, Krupp 1856

Rohrmündung vom Mörser JLTISS, Krupp 1856 Die nächsten Bilder zeigen die beiden am 9. Januar 1856 bei der Firma Krupp in Essen bestellten Gussstahlmörser JLTISS und MARDER.

Anstelle der sonst zu diesem Zeitpunkt üblichen Angabe von Hersteller und Herstellungsjahr auf den Schildzapfen wurde diese stirnseitig auf der Rohrmündung angebracht. Die ursprünglich für den Einsatz mit Schüttpulver vorgesehene Muschel um den Zündkanal (Zündpfanne) ist ebenfalls an beiden Mörsern vorhanden. Zündpfanne am Mörser JLTISS, Krupp 1856

JLTISS >> Rohr, Rohrmündung und Zündpfanne


Die "Aus den angestellten Versuchen gewonnenen Resultate" sind so bemerkenswert, dass sie hier zitiert werden:

  1. Die Gussstahl-Mörser tragen zwar bei kammervoller Ladung auf mehr als 2300 Schritte; indessen hört bei dem Kaliber, welchen sie haben, bei 1700 à 1800 Schritte jede genauere Beobachtung und somit auch die Wahrscheinlichkeit des Treffens auf. Schusstafeln sind also nur bis 1700 Schritte zu etablieren.
    (Anmerkung: Artillerieschritt zu 75cm, gültig seit 1840)
  2. Die Mörser zeigen auch nach mehrfachem Schiessen mit kammervoller Ladung keinerlei Spuren von Veränderung in ihrer Bohrung. Blos zur Schonung der Schildzapfen muss die innere Kante der Tragpfannen mehr abgerundet werden.
  3. Der Pulverrückstand haftet nicht am Gussstahl. Nach jedem Schusse fällt die trockene Kruste bei der leichtesten Berührung mit dem Wischer ab, so dass die Reinigung der Bohrung eine vollständige ist.
  4. Auffallender Weise ergibt die parabolische Kammerform der Gussstahl Mörser nicht die erwartete grössere Schussweite gegenüber der cylindrischen Kammer des alten Bronce Mörsers; selbst da nicht, wo bei letzterem ein beträchtlicher Theil des Pulvers nicht mehr in der Kammer selbst Platz hat, sondern im Kessel unter der Bombe zu liegen kommt. -- Die Differenzen in den Schussweiten zu Gunsten der cylindrischen Kammer gegenüber der parabolischen (konischen) Kammer sind so gross und constant, dass bei Anfertigung neuer Mörser von kleinem Kaliber die cylindrische Kammer den Vorzug verdient.
  5. Abgesehen von den Vorzügen grösserer Härte und Haltbarkeit, die der Gussstahl gegenüber der Bronze besitzt -- berechtigen die gemachten Versuche nicht zu der Annahme, dass der Gussstahl als solcher auch grössere Schussweiten oder grössere Wahrscheinlichkeit des Treffens gewähre. Die geringeren Seitenabweichungen sind der grösseren Länge der Gussstahl-Mörser gegenüber dem vergleichsweise angewendeten Bronze-Mörser zuzuschreiben.
  6. Auf Grund der gemachten Versuche hin könnten die zwei Gussstahl-Mörser im Ernstfalle mit Zuversicht gebraucht werden.


Bewertet man die zitierten Ergebnisse, muss festgestellt werden, dass die Folgerungen bezüglich der zylindrischen und der konischen Pulverkammer und ihrem Zusammenhang mit Schussdistanz und Seitenstreuung auf einer Fehlinterpretation beruhen. Grund für den Uebergang zu der konischen Kammer "à la Gomer" in Frankreich nach 1785 und dann auch in der Schweiz waren die wesentlich vereinfachte Handhabung des Ladevorganges und die deutlich verbesserten Streuungswerte, nachgewiesen mit zahlreichen umfassenden Schiessversuchen.

Beim Punkt 6 der Ergebnisse kommt man zum erstaunlichen Schluss, dass der Ernstfall- bzw. Kriegseinsatz dieser Mörser des Artillerie-Kollegiums in Betracht gezogen wurde, was wahrscheinlich auch das Engagement der Zürcherischen Artillerie Offiziersgesellschaft und den Zuzug der "Cadre's der Auszüger Positions Kompagnie Nr. 32" erklärt.

Die beiden 1857 gelieferten Lafetten mit der rechtsseitigen Aufschrift "ARTILLERIE = COLLEGIUM ZURICH. 1857." wurden von der Firma Escher, Wyss u. Comp. in Zürich gefertigt, das Gewicht der vollständigen Lafette betrug ca. 200 kg.

Rohrmündung vom Mörser MARDER, Krupp 1856 Rechte Lafettenwand Mörser MARDER und JLTISS, Krupp 1856 MARDER und JLTISS >> Rechte Lafettenwand

MARDER >> Rohr und Rohrmündung
Rohr vom Mörser MARDER, Krupp 1856




Im Jahr 1950 führte der Kollegiant Oberst Walter Stutz in Thun ballistische Versuche mit den beiden Mörsern MARDER (Fertigung 1856) und LUCHS (Fertigung 1936) durch. Mit diesen Schiessversuchen und begleitenden Berechnungen ermittelte Walter Stutz deren exakte ballistische Daten und Streuungswerte.

Mit dem ursprünglichen Bombengewicht von 12kg wurde beim Mörser MARDER eine mittlere V₀ von 39,05m/s ermittelt, beim Mörser LUCHS betrug diese 44,01m/s. Stutz erklärt die unterschiedliche V₀ mit der Durchmesserdifferenz von 1mm und damit dem Druckverlust zwischen den beiden verwendeten Mörsern. In Ergänzung zu den Ueberlegungen der beiden Autoren Michael Amrein und Christian Burkhalter im Neujahrsblatt 2011 kann die Lektüre dieser bei der Bibliothek am Guisanplatz in Bern erhältlichen Publikation empfohlen werden.

Tabelle der verschiedenen Mörser vom Artillerie-Kollegium

Rohr vom Mörser LUCHS, Escher Wyss 1936

Die Beschriftung der Lafette wurde für die nachfolgend beschafften Mörser wie folgt geändert:

LUCHS, rechte Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZURICH 1936"
DACHS, linke Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZüRICH 1975"
WIESEL, linke Lafettenwand: "ARTILLERIE = KOLLEGIUM ZüRICH 1990", rechte Lafettenwand: "GEORG FISCHER +GF+"

Rohr vom Mörser WIESEL, Georg Fischer 1990
Der Mörser FUCHS ist baugleich mit dem Mörser WIESEL und steht im Besitz der Zunft zu den Drei Königen.



Mit der Beschaffung des zusätzlichen Mörsers LUCHS im Jahr 1936 wurde das Heck des Rohres von der bisherigen konischen auf eine kugelige Form geändert. Gleichzeitig verzichtete man auf die beim Einsatz von Stoppinen für die Anfeuerung nicht mehr notwendige Zündpfanne. Da die Zeichnungen für die Herstellung des Mörsers LUCHS bei Escher Wyss vom Jahr 1936 nicht mehr verfügbar waren, erstellte die 1974 mit dem Guss und der Bearbeitung des Mörsers DACHS beauftragte Firma Sulzer, Winterthur, aufgrund der Vermessung des Mörsers LUCHS eine neue Zeichnung. Diese diente dann auch der Firma Georg Fischer, Schaffhausen, für die Herstellung der beiden Mörser WIESEL und FUCHS im Jahr 1990.

Rohr vom Mörser DACHS, Sulzer 1975
Rohr des Mörsers DACHS

Zeichnung des Mörser, Sulzer 1974
Zeichnung Nr. 0-071.150.782 (Ausschnitt)
der Firma Sulzer vom 3. Dezember 1974




Zeichnung der Mörserbombe
Zeichnung der Mörserbombe
Bombenheber
Quadrant mit Pendel und Durchblickdiopter zur Kontrolle der Senkung und der Schussrichtung
Quadrant mit Pendel
Bombenheber




Die Mörserbomben sind hohl gegossen. Die zum Einspannen bei der Bearbeitung notwendigen seitlichen Bohrungen wurden anschliessend mit einem Gewindestopfen verschlossen, verschweisst und überdreht. Die oben sichtbaren kleinen Bohrungen dienen zum Fassen der Bombe mit dem Bombenheber.

Die Bomben aus früheren Beschaffungen hatten Gewichte in den Gewichtsklassen von 9,6kg, 10,15kg und 12kg. In mehreren Nachbeschaffungen wurde der Bestand des Artillerie-Kollegiums an Bomben ergänzt und schliesslich aus Sicherheitsgründen im Jahr 2011 vollständig durch eine Neubeschaffung ersetzt. Das Gewicht dieser neuen Bomben beträgt 10,1kg bei einem Durchmesser von 162,8mm bis 163,0mm.

Die Wurfweite der Bombe bei einer Schwarzpulverladung von 63g und einem Senkungswinkel von ca. 30° beträgt ca. 120m. Die unterschiedlichen innenballistischen Gegebenheiten und damit die Wurfweiten der älteren gegenüber den neueren Mörsern könnten allenfalls bei Bedarf mit einer Korrektur der Ladung ausgeglichen werden.

Mörser DACHS in Stellung
Mörser DACHS in Stellung

Mörser MARDER (Fertigung 1856) beim Wurf
...der Abbrand der Pulverladung hat erst begonnen,
die Bombe hat das Rohr noch nicht verlassen.

Mörser MARDER beim Wurf ...die fliegende Bombe ist am oberen Bildrand sichtbar. Das beachtliche Mündungsfeuer und der Feueraustritt aus dem Zündkanal können mit den abweichenden Massen der ältesten gegenüber den neueren Mörsergenerationen erklärt werden.
Mörser MARDER mit Mündungsfeuer







QUELLEN UND VERWEISE:
Neujahrsblatt 2011, Michael Amrein und Christian Burkhalter
Neujahrsblatt auf das Jahr 2011, Henri Habegger
Allgemeine Schweizerische Militärzeitung, Ausgabe 24 (1858)
Aufsatz "Ueber ballistische Versuche mit Mörsern des Zürcherischen Artillerie-Kollegiums", Walter Stutz (1951)

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